Autor*innenpapier: “Für mehr Frauen in der Wirtschaft – Gründerinnen fördern!”

Die ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern ist ein Gebot des Grundgesetzes. Gleiche Chancen für Frauen und Männer sind aber auch notwendig für eine moderne, krisenresiliente Gesellschaft, die neuen Ideen und Geschäftsmodellen schnell zum Durchbruch verhilft und sich damit flexibel an veränderte Situationen anpassen kann. Es braucht die unterschiedlichen Blickwinkel und Erfahrungen für gute Führung und ausgewogene Entscheidungen. Das trifft auf alle gesellschaftlichen Bereiche zu, in der Politik, in der Wirtschaft, in der Verwaltung und auch in der Forschung & Entwicklung.

Wir wollen, dass Frauen, die ihr Unternehmen gründen wollen, besser an den Startkommen. Nur 15 Prozent der Startups werden von Frauen gegründet – Frauen kommen schwerer an Risikokapital, klassische Netzwerke und Fördervergabeverfahren sind sehr männlich geprägt und gleichzeitig vollzieht sich Rekrutierung und Aufstieg in Deutschland noch immer viel zu sehr nach dem Ähnlichkeitsprinzip. Banken und Beratungsstellen gehen immer noch zu wenig auf die Anforderungen und die Potenziale der Geschäftsideen von gründungswilligen Frauen ein. Institutionelle Rahmenbedingungen bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – Kinderbetreuung und Co. – sind vielerorts noch ausbaufähig.

Und so sind es in der Corona-Krise und bei wegfallenden Betreuungsarrangements auch insbesondere Gründerinnen, die in existenzielle Problemlagen kommen. All das führt zur anhaltenden Dominanz von (weißen Mittelschichts-) Männern in Führungspositionen oder bei der Entwicklung neuer Technologien und Produkten – oft eben auch mit einem ausschließlich auf stereotype „männliche Bedürfnisse“ geprägten Fokus. Dabei sind Startups, die von Frauen oder von geschlechtergemischten Teams gegründet werden, häufig wirtschaftlich beständiger als rein männlich gegründete Startups.

Es ist höchste Zeit für eine faire Verteilung von Macht, denn die Frage, wer die Entscheidungen trifft, ist nicht egal. Wenn wir die Vielfalt unserer Gesellschaft auch in den Chef*innenetagen abbilden, wird das Land moderner, gerechter und krisenfester. Wir wollen mehr Gründerinnen für mehr Ideen, denn Vielfalt ermöglicht Innovation.

Deshalb schlagen wir vor:

  • Einen Fonds für weibliche Gründungen aufzusetzen, der insbesondere Hightech-Start-Ups oder Start-Ups in Zukunftstechnologien aus den Bereichen Ressourceneffizienz, Life Sciences, Künstliche Intelligenz, nachhaltige Mobilität, Medizintechnologie und Bildung fördert. Als Vorbild kann hier etwa Irlands “Competitive Start Fund for Women Entrepreneurs” dienen. Er sollte ausschließlich in Startups investieren, deren aktives Gründungsteam mindestens zur Hälfte aus Frauen besteht. Auch die Stellen der Investment-Manager*innen sollten paritätisch besetzt sein. Für den Fonds sollen außerdem private VC-Investoren als Co-Sponsoren gewonnen werden.
  • Nachhaltiges Gründen im Bereich Social Entrepreneurship zu fördern: Bestehende Instrumente zur Gründungsförderung müssen die Rahmenbedingungen für nicht profitorientierte Gründungen und Social Entrepreneurship verbessern und so ausgestaltet werden, dass auch nichttechnologiezentrierte Konzepte als förderfähig gelten. Hier ist der Anteil der Gründerinnen besonders hoch. So kann etwa ein fester Teil der Gründungsförderungen an Unternehmen und Gesellschaftsformen ausbezahlt werden, die sozialen oder ökologischen Zielen gegenüber Renditezielen eine höhere Priorität einräumen, ohne dabei auf eine solide Unternehmensführung zu verzichten.
  • Damit mehr Frauen auf der anderen Seite des Tisches sitzen und bei Gründungen beraten oder über Förderungen entscheiden, soll es bei öffentlichen Förderprogrammen (KfW Capital, EXIST, coparion, Hightech-Gründerfonds) Vorgaben für den Frauenanteil innerhalb der Auswahlgremien geben. Durch die Förderung von Netzwerken und Veranstaltungen wollen wir die Sichtbarkeit von Investorinnen in VC Firmen, Family Offices und als Business Angels erhöhen.
  • Selbstständige beim Start zu unterstützen: Keine gute Idee soll an zu wenig Eigenkapital scheitern. Daher fordern wir eine einfache und unbürokratische Finanzierung. Das Gründungskapital wird als Einmalbetrag bis maximal 25.000 Euro am Anfang der Gründung ausbezahlt. Es soll unbürokratisch sein und allen offen stehen. Die Voraussetzung ist eine gute Beratung und eine Wirtschaftlichkeitsprüfung des Geschäftskonzepts durch eine Expertin oder einen Experten. Das Gründungskapital kann auch gewährt werden, um Selbstständigen, die coronabedingt Insolvenz anmelden mussten, wieder auf die Beine zu helfen. Daneben muss der Gründungszuschuss für Arbeitssuchende endlich wieder attraktiver werden. In den vergangenen 10 Jahren hat die Inanspruchnahme des Gründungszuschusses um über 85 Prozent abgenommen. Das liegt nicht an mangelnder Gründungsbereitschaft, sondern an hohen Hürden. Die bisherige Ermessensleistung muss wieder zu einer Pflichtleistung und die erste Förderphase wieder auf neun statt sechs Monate erhöht werden.
  • Mitarbeiter*innen beteiligen: Der Erfolg eines Startups hängt wesentlich von den Mitarbeiter*innen ab. Wir wollen daher Gründerinnen dabei unterstützen, ihre Mitarbeiter*innen am Unternehmen zu beteiligen. Dazu sollen die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessert und der steuerliche Freibetrag für Anteile an Startups und KMU auf 5.000 Euro erhöht werden.
  • Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch einen Rechtsanspruch auf ganztägige Betreuung von Grundschulkindern und weiteren Anstrengungen beim Ausbau von Kitaplätzen zu erleichtern. Daneben wollen wir gezielt familienunterstützende Dienstleistungen fördern, etwa für ergänzende individuelle Kinderbetreuung im ersten Lebensjahr des Kindes, bei Abendterminen oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Gerade für Alleinerziehende ist dies ein wichtiger Baustein.
  • Die soziale Absicherung zu verbessern: In der Corona-Krise haben sich die Schwächen der derzeitig lückenhaften Einbindung von Selbstständigen in die sozialen Sicherungssysteme wie unter einem Brennglas gezeigt. Wir wollen alle nicht anderweitig abgesicherten Selbstständigen in den Sozialversicherungssystemen absichern und damit auch die Lücke beim Mutterschutzgeld schließen. Selbstständige sollen sich jederzeit freiwillig arbeitslos versichern können, statt nur innerhalb der ersten 3 Monate ihrer Selbstständigkeit. Sie sollen zwischen halben und ganzen Beträgen wählen können, die Auszahlung wird entsprechend angepasst. Die Auszahlung wird anhand der Einzahlungshöhe berechnet, nicht mehr wie jetzt nach „Qualifikationsstufen“. Auch in die gesetzliche Rentenversicherung wollen wir Selbstständige einbeziehen. Mit großzügiger Übergangslösung durch Ansetzen einer Altersgrenze sowie die Möglichkeit zu flexiblen Beitragszahlungen, inklusive beitragsfreier Karenzzeiten und freiwilliger Beitragszahlungen in finanziell guten Zeiten.
  • Sichtbarkeit und Vernetzung zu erhöhen: Bei Delegations- und Markterkundungsreisen die von Ministerien und dem Kanzleramt organisiert werden, gehören Frauen mit an Bord. Ziel sollte die Parität sein. Branchenübergreifende Netzwerke für Gründerinnen, wie das baden-württembergischen „Startup BW Women“, sollten gestärkt werden.
  • Bürokratie abzubauen: Gründerinnen und Gründer stehen besonders beim Aufbau ihres Unternehmens vor zahlreichen bürokratischen Hürden. Um diese abzubauen, wollen wir sie in den ersten zwei Jahren von möglichst vielen Melde und Informationspflichten befreien und über diese Befreiung auch proaktiv informiert werden. Generell sollten bestehenden Vorschriften so weit wie möglich praxistauglicher gemacht werden und bei der Entwicklung neuer Vorschriften möglichst digital zu erfüllende Ausgestaltung mitgedacht werden.
  • Langfristig bestehende strukturelle Hindernisse für Frauen in der Start-up-Förderung zu beseitigen, indem bestehende Förderinstrumente auch auf Genderaspekte hin evaluiert und neue Programme evidenzbasiert ausgerichtet werden. Bei Förderungsanträgen soll erfasst werden, ob die Startups auch aus weiblichen Gründungsmitgliedern bestehen.
  • Von der Hochschule in die Selbstständigkeit: An Hochschulen, Forschungseinrichtungen und darüber hinaus die Entrepreneurship-Ausbildung auszubauen, Mentorinnen-Programme zu fördern und in den Gründungszentren die Gender und Diversitykompetenz auszubauen.
  • Flächendeckende Beratungs- und Weiterbildungsangebote für Gründungsberatung und -förderung einzurichten. Dabei sollen die Beratungsprogramme und Förderangebote so ausgestaltet werden, dass sie der Vielfalt der potenziellen Gründerinnen gerecht werden.

Katrin Göring-Eckardt MdB, Fraktionsvorsitzende
Dr. Danyal Bayaz MdB, Leiter des Wirtschaftsbeirats und Startup-Beauftragter
Ulle Schauws MdB, Sprecherin für Frauenpolitik
Katharina Dröge MdB, Sprecherin für Wirtschaftspolitik
Claudia Müller MdB, Mittelstandsbeauftragte
Dr. Anna Christmann MdB, Sprecherin für Innovations- und Technologiepolitik

Mehr dazu auch im Artikel des Handelsblatt vom 21.02.: https://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/maennerdomaene-start-ups-experten-liefern-vorschlaege-um-die-chancen-fuer-gruenderinnen-zu-verbessern/26933640.html

Das Papier zum Download auf der Homepage der grünen Bundestagsfraktion gibt’s hier: https://www.gruene-bundestag.de/fileadmin/media/gruenebundestag_de/themen_az/wirtschaft/PDF/210222-AP_Gruenderinnen_foerdern.pdf