Fachgespräch: „Besser mit Frauen. Wir gestalten Digitalisierung“

Egal ob IT-Sicherheit, Software-Entwicklung oder künstliche Intelligenz – die Digitalisierung braucht in allen Bereichen deutlich mehr Frauen in den Hörsälen, Forschungszentren und IT-Unternehmen. Denn eine männlich dominierte IT-Branche, wie derzeit in Deutschland, wird weder den Anforderungen zeitgemäßer wirtschaftlicher Entwicklungen noch einer Zukunftsbranche gerecht. Um das zu ändern, hatte die grüne Bundestagsfraktion am 12. Oktober zum Fachgespräch „Besser mit Frauen. Wir gestalten Digitalisierung“ eingeladen.

Seit 2008 hat sich der Anteil von Frauen in der Digitalbranche kaum verändert. Weniger als ein Drittel weibliche Angestellte und ein Frauenanteil von nur rund elf Prozent bei Gründungen und Selbstständigen sind viel zu wenig. Dabei war die IT zu Beginn alles andere als eine Männerdomäne, wie Katrin Göring-Eckardt in ihrer Begrüßung klarstellt. Das beweisen Frauen wir die Mathematikerin Ada Lovelace, die Mitte des 19. Jahrhunderts das erste Computerprogramm schrieb und Stephanie Shirley, die 1962 eines der ersten Softwareunternehmen gegründet hat und die obendrein zu Beginn auch fast nur Frauen beschäftigte.

Für mehr Frauenpower in der Digitalisierung – an Schulen, Universitäten und in IT-Unternehmen

Heute sieht das leider ganz anders aus. Der seit Jahren viel zu geringe Frauenanteil im IT-Bereich an Schulen, in der Ausbildung, an Universitäten und am Arbeitsmarkt ist ein riesiges Problem. Die Branche sucht auch deshalb händeringend nach Fachkräften, weil die Potenziale der Frauen nicht genutzt werden. Gleichzeitig wird die Gesellschaft bei der Entwicklung und Gestaltung der digitalen Zukunft um den wichtigen Input der Frauen gebracht.

Welche Probleme dadurch entstehen können, konnte man gerade bei Amazon beobachten. Dort hatte man eine Software entwickelt, die mittels Künstlicher Intelligenz ein Ranking der eingegangenen Bewerbungen erstellen sollte. Jetzt kam jedoch heraus, dass der Algorithmus Frauen systematisch benachteiligte, weil das System mit den Daten der bisherigen Personalentscheidungen trainiert wurde. Da das Unternehmen bisher fast nur Männer einstellte, übernahm das Programm dieses diskriminierende Auswahlkriterium. Für Katrin Göring-Eckardt zeigt dieses Beispiel, wie wichtig eine diverse Digitalbranche ist, in der die Programme nicht nur von Männern sondern auch von Frauen erdacht und entwickelt werden.

Mädchen früh ansprechen

Damit eine weiblichere IT-Branche so schnell wie möglich Wirklichkeit wird, ist es zentral, Mädchen früh für digitale Technik zu begeistern. Genau das versucht Verena Pausder, Gründerin von Fox & Sheep mit den HABA Digitalwerkstätten zu leisten. Dort sei ganz klar zu beobachten, dass das Interesse von Mädchen mit sechs oder sieben Jahren noch genauso groß ist, wie das von gleichaltrigen Jungs. Als Teenager beim Girlsday interessieren sie sich dann leider kaum noch für Technik. Deshalb ist die frühe Ansprache der Mädchen so wichtig, wenn sie noch nicht von den Erwachsenen den Stereotyp „gelernt“ haben, dass digitale Technik eigentlich was fürs Jungs ist. Zusätzlich, müssen mehr weibliche Vorbilder her, IT-Studiengänge anders vermarktet und Mentoring-Programme für Schülerinnen und Studentinnen geschaffen werden.

Weibliche Vorbilder sichtbar machen

Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Fachgesprächs waren sich einig: Ob Berufsausbildung oder Studium – am besten gewinnt man Mädchen dafür, wenn man sie schon in jungen Jahren anspricht. Dafür gehört Informatik schon früh auf die Lehrpläne der Schulen. Außerdem müssen Strukturen geschaffen werden, die weibliche Vorbilder für junge Mädchen und Frauen noch sichtbarer machen. Auch ein Kernanliegen für Christine Regitz, Vizepräsidentin der Gesellschaft für Informatik. Sie spricht sich beispielsweise für mehr Mentoring Programme zwischen Schülerinnen und berufstätigen Frauen der Branche aus, um zu zeigen, was mit einem IT-Studium alles gemacht werden kann. Eine wichtige Vorbildfunktion können auch die Lehrerinnen und Professorinnen übernehmen, von denen es leider in der Informatik viel zu wenige gibt. Eine weitere Aufgabe für Politik und Hochschulen, das zu ändern.

Studiengänge nur für Frauen

Auch Studiengänge nur für Frauen wurden als sinnvolles Instrument diskutiert, um mehr Informatik-Studentinnen in die Hörsäle zu bekommen. Die HTW Berlin zeigt bereits erfolgreich wie das geht. Für Prof. Dr. Juliane Siegeris ein Erfolgsmodell, das man ausweiten sollte. Bei dem Bachelor-Studiengang für Frauen „Informatik und Wirtschaft“ sei schon der Name selbst eine Maßnahme, um gezielt mehr Frauen zu gewinnen. Denn sobald man Informatik mit etwas anderem kombiniert, steigt das Interesse bei Frauen. Gleiches erreicht die HTW Berlin mit der Aussage, dass der Studiengang bei Null anfängt und keine Vorkenntnisse erforderlich sind. Die Hälfte der Studentinnen sagt, dass sie sich unter normalen Umständen nicht für das Fach Informatik entschieden hätten, sondern die Tatsache, dass sie hier nur mit anderen Frauen studieren, den Ausschlag gegeben hat. Nach dem Frauen-Bachelor entscheiden sich viele Absolventinnen im gemischten Master weiterzumachen und beweisen so, dass das Konzept funktioniert.

Weiterbildung in den Blick nehmen

Ähnliche Anstrengungen müsste es auch in der Berufsausbildung geben. Denn dort hat man es im IT Bereich nie geschafft, Frauen anzuziehen. Prof. Barbara Schwarze von der Hochschule Osnabrück plädierte auch hier dafür, bei den Namen der Berufsbezeichnungen anzusetzen, um junge Frauen für eine Ausbildung zu gewinnen. Außerdem muss auch der Weiterbildungsbereich viel stärker in den Blick genommen werden. Denn auch viele Frauenberufe könnten durch die Automatisierung wegfallen. Deshalb muss es mehr Angebote an Universitäten und Fachhochschulen für Frauen geben, um sich auch berufsbegleitend für den wachsenden Bereich der Zukunftsjobs in der Digitalbranche zu qualifizieren.

Verbindliche Maßnahmen für mehr Frauen in der IT

Frauennetzwerke in der IT-Branche sind ein weiterer wichtiger Punkt für mehr Frauen und vor allem mehr erfolgreiche Frauenkarrieren ohne abrupten Stopp an der gläsernen Decke. Für Maren Heltsche, 2. Vorsitzende der Digital Media Women, sind diese Netzwerke nicht nur wichtig, um Frauen in der Branche zu vernetzen, sondern vor allem auch um die Frauen sichtbar zu machen, auf die Podien der IT-Konferenzen zu bekommen und ihre Anliegen auf die Agenda in Unternehmen, Gesellschaft und Politik zu setzen.

Für Anna Christmann ist klar: Die Bundesregierung unterschätzt das Problem von zu wenigen Frauen im IT-Bereich derzeit massiv und tut noch zu wenig, um mehr Frauen für den IT-Bereich zu begeistern. Deshalb machen wir als grüne Bundestagsfraktion das Thema  zu einem Schwerpunkt  und werden mit dem Input aus dem Fachgespräch weitere verbindliche Maßnahmen einfordern.

Die Veranstaltung zum Nachschauen

Hier gibt es die Videoaufzeichnung: https://www.youtube.com/watch?v=b0ktJ7P2DSc